Mittwoch, 30. März 2011

Piraten würden (bitte Partei einfügen) wählen!

Fast alle etablierten Parteien scheinen der Ansicht zu sein, Piratenwähler seien eigentlich verirrte Anhänger ihrer eigenen Partei. Insofern sieht man in den Piraten auch gerne eine kurzfristige Modeerscheinung die vorbei sei, sobald ihre Anhänger wieder "Vernunft" angenommen hätten. Der Wahlkampf in Baden-Württemberg zur Landtagswahl 2011 hat aber meiner Ansicht nach vor allem eines deutlich gemacht: Selbst in Lagerwahlkampf in dem beide Seiten der Ansicht sind, jede einzelne Stimme zu benötigen um ihr Ziel zu erreichen, haben sich die Piraten stabil gehalten. Die Kernwähler der Piraten sind also keine Wähler die nicht so recht wissen, wieso sie eigentlich die Piratenpartei wählen und sich für eine angeblich "höheres Ziel" wie das Absägen eines Ministerpräsidenten  davon überzeugen zu lassen eine andere Partei zu wählen, als es ihren Überzeugungen entspricht. Bei zukünftige Wahlen, bei denen es diese Polarisierung nicht geben wird, erwarte ich, dass die Piraten ihre Stimmanteile sogar noch erheblich ausbauen werde.

Wieso gelingt es den etablierten Parteien nicht die Anhänger der Piraten abzufischen? Sowohl die Grünen, die Linken und sogar die FDP haben sich hierum bemüht und waren nicht wirklich erfolgreich. Doch wie kommen 2 so gegensätzliche Parteien wie die FDP und die Linken eigentlich darauf sich um die selbe Wählergruppe zu bemühen? In ihren Augen scheinen die Piraten wohl eine politisch unförmige Masse zu sein die sich Quer über das gesamte Parteienspektrum verteilt, geeint lediglich durch die - in ihren Augen sowieso unwichtige - Netzpolitik. Es ist sicherlich richtig, dass die Piraten eine sehr breite Anhängerschaft haben: Von Beamten, Unternehmern über Arbeiter und Studenten bis hin zu Arbeitssuchenden ist bei ihnen alles zu finden, das einzige Thema Internet könnte diese gegensätzlichen Interessen niemals langfristig zusammen halten.

Doch die Piraten eint mehr als die Netzpolitik und dies ist auch der Grund dafür, dass man sie nicht in das klassische Rechts-Links-Schema einordnen kann. Um die Position der Piraten darzustellen, benötigt man eine 2. Dimension:
                                      Quelle: http://wiki.piratenpartei.de/wiki/images/d/d6/Wertedreieck.png

 In dieser Darstellung sieht man relativ deutlich, dass die Piraten sich selbst als relativ fern zu den anderen Parteien einstufen (Es handelt sich wie gesagt um eine Einstufung der Piraten, andere Parteien mögen ihre eigenen Positionen anders sehen). Vermutlich sind gerade die Linken besonders erstaunt darüber, dass sie sich weiter von den Piraten entfernt wiederfinden als die Grünen, die SPD und sogar die FDP. Woran liegt das? Nehmen wir anhand dieses Schemas die 2. Dimension doch noch einmal zurück und verbinden von der Libertär-Ecke aus die Parteien mit der Rechts-Links-Linie:

Sehr schnell wird hier klar woher der Trugschluss über die Position der Piratenpartei stammt, sie liegt unmittelbar neben der der Grünen und auch noch ganz in der Nähe der Linken. Ohne Betrachtung der libertären Komponente liegt die FDP hingegen sehr weit entfernt von den Piraten.

Natürlich ist das klassische Schema nicht völlig Falsch und so ist es auch nicht verwunderlich, dass die Piraten sehr viele Positionen mit den Grünen und auch mit den Linken teilen. Man sieht auch, dass die Linien der Linken bis hin zur SPD den weiteren Bereich der Piratensphäre streifen, doch stellen diese Überschneidungen die Piratenanhänger nicht zufrieden, zu groß ist die Entfernung der Parteien in der um den libertären Faktor erweiterten Betrachtung.

Doch was bedeutet dieses Wertedreieck nun eigentlich für die Positionen der Parteien? In Bezug auf die Piratenpartei wird zunächst einmal deutlich, dass sie sich in einem Bereich befindet, der relativ Frei von anderen Parteien ist. Sie ist eben nicht "noch eine unnötige Linkspartei" deren Flügel besser daran täten sich der SPD, den Grünen oder den Linken anzuschließen. Ihr ideologischer Schwerpunkt ist weder im rechten noch im linken Spektrum verankert sondern liegt im Freiheitlichen. Doch im Unterschied zur FDP verstehen wir darunter nicht vordringlich Wirtschaftliberalität, sondern Liberalität in ihrer ursprünglichen Bedeutung: Die persönliche Freiheit des Einzelnen, den Schutz seiner Rechte gegenüber dem Staat! Das ist es vermutlich, was schon Politiker der FDP zum Übertritt zu dieser angeblich so linkslastigen Partei bewogen hat.

Wieso tauchen die Piraten ausgerechnet heute auf und nicht schon vor 30 oder 40 Jahren? Ich persönlich denke, die Piraten sind eine direkte Folge des Endes des Ost-West-Konfliktes und des Kampfes gegen den Terrorismus. Nachdem der westliche Kapitalismus nach der Bankrotterklärung des Kommunismus praktisch "Alternativlos" wurde, zeigte er im Rahmen der Globalisierung immer mehr sein häßliches Gesicht was zunächst in die Stärkung der Linkspartei mündete, da die SPD diesen neuen Kurs vor allem in den Harz-Gesetzen mittrug. Doch auch das Internet, dieser vermeintlich größte Marktplatz der Welt, geriet in dieser Zeit zunehmend in den Fokus der Unternehmen und der Politik, nicht nur als Chance, sondern auch als Bedrohung. "Internetpiraten" war als Schimpfwort gemeint gegen Leute, die den Vorrang des Profits zu unterlaufen drohten. Diese Internetpiraten waren es dann auch, welche die Keimzelle der Piratenpartei bildeten, doch waren diese noch beschränkt auf ein einziges Thema und wurden daher nicht ernst genommen.

2001 entfachte ein neuer globaler Konflikt, der sogenannte Kampf gegen den weltweiten Terrorismus. Im Zuge dessen glaubte man neue Gesetze zu benötigen denn die alten Gesetze, mit deren Hilfe man sogar mit der RAF fertig geworden waren, schienen plötzlich zu schwach. Oder war es auch nur der Glaube sowieso "Alternativlos" zu sein und sich deshalb nicht um Bedenken kümmern zu müssen?

Passagierflugzeuge abschießen, das Bankgeheimnis aufheben, heimliches Durchsuchen von Computern, möglichst lückenlose Überwachung öffentlicher Plätze, Datensammlungen die man auch Bedenkenlos an Staaten übermittelt welche Folter praktizieren und Menschen ohne Anklage einsperren nachdem sie sie aus anderen Ländern entführt haben - nichts schien mehr Undenkbar. Und wer dagegen oppunierte, der wurde dann schonmal zu einem Verräter der die Todesstrafe verdient.

In einem Punkt hatten die Scharfmacher der CDU recht: Sie waren Alternativlos! Die Linken waren zu sehr in ihrer linken Ecke verfangen um glaubhaft dagegen aufzubegehren, hatte ihre Vorgängerpartei doch nicht so viel anders in der DDR gehandelt. Die SPD leckte sich gerade erst die Wunden der Schröder-Herrschaft und war bei weiten Teilen der Bevölkerung wegen den Harz-Gesetzen unten durch. Die Wähler der Grünen stammten zwischenzeitlich zum großen Teil aus dem eigentlich konservativen Bürgertum das sein ökologisches Gewissen beruhigen wollte und ansonsten hauptsächlich um seine finanzielle und körperliche Sicherheit besorgt war - wer sollte sich also dem Sicherheitswahn glaubwürdig entgegenstellen?

Die Piratenpartei nahm sich dieser Themen an und bekam plötzlich enormen Zulauf von jungen, gebildeten und gut informierten Menschen die unter den etablierten Parteien keine Alternativen fanden. Sie positionierte sich in der großen weißen Fläche, weitab von den anderen Parteien und bedienten sich in bester Piratenmanier schamlos an deren Programm: Umweltschutz, Bildung und soziale Verantwortung ergänzten das bisherige Parteiprogramm während man gleichzeitig auch nach neuen Ansätzen wie eine Anpassung des Urheberrechts sucht.

Ich weiß nicht, wie es mit der Piratenpartei weiter gehen wird. Sie hat auf jeden Fall die Grundlage sich im bestehenden Parteiengefüge einen festen Platz zu erkämpfen. Verhindern wird sie dies nur selbst können, die alten Parteien haben wieder einmal zu langsam reagiert, weil sie die Internet-Nerds zu lange belächelt haben und dies teilweise sogar immer noch tun. Die ersten Teilnahmen an Wahlen sorgen nun für eine bessere finanzielle Ausstattung der Piraten, etwas, was absolut notwendig ist um die nun erreichte Grenze von der Nieschenpartei zu einer im Parlament vertretenen Kleinpartei zu überschreiten. Ich denke die Wahl in Berlin wird zeigen, wieweit dies vielleicht schon Zeitnah gelingt.

10 Kommentare:

  1. Interessant, allerdings bin ihr mir in einem Punkt sicher, dass es etwas anders ist:

    Ich kenne persönlich einige Piratenstammwähler, die diesmal zähneknirschend taktisch gewählt haben.
    Dass wir trotzdem das Wahlergebnis leicht steigern konnten spricht dafür, dass wir einige neue Wähler dazugewinnen konnten.

    Wird bei der nächsten Wahl bestimmt spannend.

    AntwortenLöschen
  2. yeah, klarmachen zum änddern! auf nach berlin! :)

    AntwortenLöschen
  3. 1.) Gab früher zwei liberale Parteien. Sind erst nach dem zweiten Weltkrieg zur FDP fusioniert. Die sozialliberalen wurden aber spätestens in den 90iger Jahren rausgekegelt, so dass heute tatsächlich wohl diese Lücke existiert.

    2.) Frage an den autor: Die Verortung in der Grafik: Weißt Du wer die vorgenommen hat? Das ist doch eine "Behauptung" oder? Denn ich bin mir (leider) nicht sicher, ob die jeder Pirat so teil...

    AntwortenLöschen
  4. Hey vergesst nicht Bremen ^^ Da hatten die Piraten in der Bundestagswahl und auch in der Europawahl Top Werte. Diesmal ist es ein langweiliger Wahlkampf und das erste mal dürfen Bürger ab 16 Wählen. Ich denke es wäre möglich das sie es hier tatsächlich schaffen. Nur redet keiner drüber.

    AntwortenLöschen
  5. @Sebastian: Wer diese genau vorgenommen hat, kann ich nicht sagen. Anhand dieses Bildes: http://wiki.piratenpartei.de/wiki/images/a/a8/Politischer_Kompass_Piratenpartei_vgl.png das die Verortung der Einzelpiraten auf dem politischen Kompass zeigt halte ich jedoch die Position der Piraten im Wertedreieck für sehr zutreffend. Natürlich trifft diese nicht auf alle Piraten zu, aber das ist bei einer doch recht großen und auch noch jungen Partei nicht zu erwarten. Ich denke auch es ist unschädlich für meine Aussagen, wenn die Piraten entlang meiner eingezeichneten Linie etwas nach unten rutschen solange der Schwerpunkt auf der freiheitlichen Grundausrichtung bleibt. Für etwas Gegenteiliges habe ich bisher aber keine Anhaltspunkte.

    @Tobias: Ich habe Euch nicht vergessen, nur liegen mir zu Bremen im Gegensatz zu Berlin keine Daten vor mit denen ich Eure Erfolgsaussichten einschätzen könnte. Das einzige was ich weiß ist, dass ihr relativ wenig Piraten und damit finanzielle Mittel habt weshalb ihr ja materielle Unterstützung aus BW erhaltet. Ich drück Euch auf jeden Fall kräftig die Daumen und falls ihr es wirklich schafft, werden sicher auch hier die Sektkorken knallen! :)

    AntwortenLöschen
  6. Hm, die Selbsteinschätzung als 'Humanistisch' werden wohl auch andere Parteien haben. Das ist eher eine Auslegungssache nach dem eigenen Weltbild.

    Ich weiss nicht. Im Januar bin ich nach über einem Jahr Mitgliedschaft bei den Piraten wieder ausgetreten. Die Entwicklung im letzten Jahr hat mir gar nicht gefallen, war mir teilweise zu 'links'. Da empfand ich die Linkspartei als liberaler :)

    Am Anfang konnte ich micht sehr gut mit den Piraten identifizieren und habe lokal auch aktiv mitgemacht, je mehr Themen rein kamen desto mehr Punkte kamen hinzu die ich so überhaupt nicht vertreten kann. Schade.

    Das soll keine Kritik sein. Ich möchte nur ausdrücken das sich die Piraten noch in der Entwicklung befinden, das Profil noch nicht völlig ausgeprägt ist und daher auch die Anhängerschaft noch schwankt. Auch sind die Piraten sicherlich nicht das Nonplusultra als das sie sich gerne selbst darstellen, denn sie polarisieren bestimmte Themen etwas zu stark, IMHO. Das hat man an der Genderdiskussion letztes Jahr gut gesehen.

    Ein Auge werde ich natürlich weiterhin drauf haben aber momentan kann ich mich mit den Piraten einfach nicht mehr identifizieren.

    AntwortenLöschen
  7. Warum die Piraten erst jetzt auftauchen, könnte auch daran liegen, dass die Art wie sie Politik machen wollen (also Sachverstand vor Ideologie) erst mit modernen technischen Mitteln möglich geworden ist.
    Früher musste Politik einfach sein, eine große Gruppe ansprechen. Das ist heute nicht mehr notwendig, da jeder über alle Möglichkeiten verfügt, sich bis in Detail zu einem Thema zu informieren. Überdies kann man heute auch unkompliziert am Entscheidungsprozess teilnehmen.
    Die alten Volksparteien werden davon aber nicht profitieren, denn deren Stammwählerschaft ist an Politik eigentlich gar nicht interessiert. Unionswählern reicht das Christen- und Wirtschaftsmantra, den SPD-Anhängern ist das "wir sind sozial gerecht" genug. Die Linken bleiben wohl ein regionales Phänomen. Einzig die FDP und die Grünen könnten wie die Piraten von den neuen Mitmachmöglichkeiten profitieren.
    Ich bin davon überzeugt, dass die Volksparteien mittlerweile nur noch ihre Stammwähler haben, und diese Gruppe wird zunehmend kleiner. Es wird also mehr Platz in der Parteienlandschaft geben.

    AntwortenLöschen
  8. Danke für diesen gelungenen Blogpost.

    AntwortenLöschen
  9. Sehr interessanter Post, vielen Dank dafür.

    Hat mich nun tatsächlich angeregt bei mir im Blog auch mal was über die Piraten zu schreiben :)


    Weiter so, und ohne Lagerwahlkampf wirds noch mehr!

    AntwortenLöschen
  10. Leider eben eine Selbsteinschätzung, die mit so Sachen wie BGE und Enteignungen in den Programmen nicht zusammenpassen!

    AntwortenLöschen