Sonntag, 15. Mai 2011

Die Mimimiokratie - ein politisches Erfolgskonzept?

Dieses Wochenende ist Bundesparteitag und zwar bei der FDP und bei den Piraten. 2 Parteitage die viel unterschiedlicher kaum sein können: Die FDP hat ihren von einer handvoll Mitglieder ausgekundelten Kandidaten für das Amt des Bundesvorsitzenden im Schnellverfahren mit rund 95% der Stimmen durchgewunken, die Piraten wählen Basisdemokratisch zwischen 9 Kandidaten und wählen ihren neuen Vorsitzenden mit "nur" 60% der Stimmen.

Dass es im Anschluss an diese Wahl zu keinen Verletzten bei den Piraten kam, scheint für den aufmerksamen Twitter-Leser aber an ein Wunder zu grenzen. Von Basisdemokratie kann aus diesem Blickwinkel kaum noch die Rede sein, denn dies würde bedeuten, die Entscheidung der Mehrheit zu akzeptieren, auch wenn der persönliche Wunschkandidat unterlegen ist. Die große Mehrheit der Piraten hielt sich auch an dieses Grundkonzept einer Demokratie und gratulierte dem neuen Vorsitzenden Sebastian Nerz, nicht so einige Anhänger des unterlegenen Kandidaten Christian Lauer. Schon vor und während der Wahl wurde Stimmung gegen den absehbar stärksten Herrausforderer ihres Favoriten gemacht, zunächst völlig legetim und sachlich:

Dann jedoch zunehmend unsachlich und polemisch:

Bei o.g. Beispielen handelt es sich um ein und den selben Nutzer von dem ich sicher weiß, dass es sich um einen Piraten handelt. Dankenswerterweise war diese unterschwellige Andeutung der bis jetzt traurige Höhepunkt in seiner Timeline, andere Tweets waren da deutlich weniger zurückhaltend:


Ich vermute mal, bei letzterem handelt es sich nicht um einen Piraten und damit war er auch nicht auf dem Bundesparteitag. Es drängt sich der Verdacht auf, dass er die über Twitter veröffentlichte Stimmung aufgenommen und mit seiner eigenen politischen Einstellung ergänzt hat.

Auch wenn dies der härteste Tobak war, den ich bis jetzt gefunden habe, Anfeindungen gegen einen noch nichtmal einen Tag im Amt befindlichen Vorsitzenden gibt es mehr als genug. Offenbar halten manche Piraten Basisdemokratie für eine tolle Sache solange die Basis ihrer Meinung ist. Doch das ist keine Basisdemokratie sondern Mimimiokratie, das (versuchte) durchsetzten der eigenen Meinung, auch gegen die Mehrheitsmeinung, mittelt möglichst plakativem Flamewar. 100 Tage Schonfrist wie es für jeden neugewählten Amtsträger üblich ist? Das scheint bei einigen Piraten nicht zu gelten

Nicht nur, dass wir damit ein katastrophales - wenn auch sachlich falsches - Außenbild vermitteln, wir lasten Sebastian Nerz damit gleich zu Beginn seiner zunächst nur 1-jährigen Amtszeit eine Bürde auf, die es ihm sicherlich schwerer machen wird sein Amt so auszuüben, wie wir es zurecht von ihm erwarten dürfen. Ausgerechnet von vornehmlich berliner Piraten wird der neue Kapitän der Piraten unter Beschuss genommen. Sie riskieren damit nicht nur, dass bei den Menschen zur Landtagswahl im Herbst das Bild von heillos zuerstrittenen Piraten vorherrscht und vielleicht ausgerechnet der Nazisatz verknüpft mit den Piraten im Gedächnis bleibt, sie riskieren die ganze Partei!

Der beste und intelligenteste Satz des gestrigen Tages kam nicht von einem der beiden Kandidaten, er kam bei einem Redebeitrag von einem Piraten aus Jena: "Wir sind Piraten, wir lassen uns nicht von einem Vorsitzenden auseinanderdividieren!" (Nichtwörtliches Gedächniszitat). So hätte ich mir die Reaktion von allen Piraten gewünscht. Wir haben nun einen neuen Vorsitzenden, die einen haben ihn gewählt, die anderen nicht. Wäre der Parteitag in Berlin gewesen, vielleicht würde er nun anders heißen, vielleicht aber auch nicht.

Wichtig ist aber nicht die Person unseres Bundevorsitzenden, wichtig ist, wie es nun mit den Piraten weiter geht. Wir können uns zerstreiten und gemeinsam untergehen, oder wir können uns auf das besinnen was wir sind: Wir sind ALLE Piraten!

Darum auch mein Appell an ALLE Piraten: Gebt Sebastian die Chance die er verdient hat. Überzeugt euch selbst davon was er tut und was nicht. Wenn er Euch nicht gefällt, habt ihr in einem Jahr die Möglichkeit die Entscheidung des Parteitags in Heidenheim zu revidieren, doch bis dahin sollten wir alle an einem Strang ziehen (Bevor es an dieser Stelle zu Mißverständnissen kommt: Ich meine die selbe Seite des Stranges!) Die Baden-Württemberger und Bayerischen Piraten wollen genauso sehr, dass ihr in Bremen und Berlin erfolgreich seit wie ihr selbst, also lasst uns das gemeinsam anpacken.